[ Searching Eva ]

Pia Hellenthal | Deutschland 2019


Schwarzbild. Voiceover mit verschiedenen Stimmen und Persönlichkeiten. Sie ist 18 Jahre aus Russland und depressiv. Hast du schon mal von Hochsensibilität gehört? Anime-Mädchen sind voll süß! Wie es wohl sein mag, wenn man Borderline hat? Durcheinander raunen und flüstern die Jungen und Mädchen. Wie nennt man sie eigentlich heutzutage? „I Wish we didn't need names.“ Immer wieder werden im Verlauf des Filmes solche weißen Texteinblendungen auf schwarzem Hintergrund eingeblendet – Aussagen verdrehend und Rollenbilder infrage stellend.

Die erste visuelle Aufnahme. Ein Gesicht mit grünem Kopftuch am Strand. Der Körper im Sand eingebuddelt. Wellenrauschen. Langer Blick in die Kamera, nach unten, wieder in die Kamera. Die folgende Titeleinblendung in Knallrot, die in einer Klubszene mündet, lässt schattenhaft tanzende Figuren im Hintergrund bewegen. Bereits in den ersten Minuten bekommen die Zuschauer ein Gefühl dafür, warum dieser Film für das Programm der Edimotion, dem Festival für Filmschnitt und Montagekunst, auserwählt wurde.


Filmbild aus Searching Eva ©Pia Hellenthal
Filmbild aus Searching Eva ©Pia Hellenthal

Die sanfte Titelmelodie wird unsanft unterbrochen und man liest ihren Namen, Eva Collé, deren Identitätssuche fragmentarisch, halb dokumentarisch, halb inszeniert, begleitet wird. Die Tumblr-Bloggerin ist auch auf Instagram unter warvariations zu finden. Als Kind durfte sie nicht nackt schwimmen, wegen der Blicke der Männer, – als ob die Blicke auf ihren Körper ihre Schuld seien! Am liebsten würde sie ihr Gehirn resetten, um nicht ständig an alle diese angelernten Dinge denken zu müssen. In Italien sah sie genau aus diesem Grund, eben keinen Grund mehr, um zu bleiben. Dem Fluchtinstinkt vor den konservativen Normen folgend, landete sie in Berlin. 

Und wie geht es ihr heute? Alles variabel, alles im Fluss, vor allem die Identität. Kuscheln will die Katze. Nein, will sie nicht. Ambivalenzen. Diskussionen mit der Person, mit der sie kuschelt und im weiteren Verlauf des Films auch explizit fickt. Es ist genauso ein Spiel, wie das Spiel mit der Katze. Es hat sie immerhin sieben Jahre gekostet, um herauszufinden, wie man überhaupt einen Orgasmus bekommen kann. Da will sie diesen auch bitte genießen! Eigentlich würde sie ja gerne ein Nest bauen, aber jeder Raum, jeder Ort macht ihr Angst. Ist die Identität im Fluss, kann sich diese auch nicht bestimmt verorten. Kein Ankerpunkt in der Zugehörigkeit, keiner im Raum. 

Drei Menschen im Bett: Zwei Männer und sie. Ein Mann, eine Frau und sie? Sie als eine Frau, sie als ein Mann. Sie als ein Alien? Vielleicht kann man einfach das sein, was man sein möchte? Selbstbestimmt, auch in der Sexualität, ist das Schlüsselwort. Wow, du bist ja auch schon auf Modenschauen mitgelaufen – wieder ein Textfragment von einer Blog-Besucherin. Na und, wenn schon ... Mit einem Blowjob verdient sie weit mehr Geld. Sexarbeit. Auch hier ist sie zu finden. Oder eben auch nicht. Sie wird vor der Kamera inszeniert, – gleich doppelt, als der Fotograf sie für ein Shooting passend zurechtbiegt. Und jetzt mal hängen lassen. Die Entmystifizierung im Hochglanz-Realismus. Schönheit zeigt sich am Abgrund. Provokativ, aber (noch) nicht fallend. Die Drogen werden genauso tief eingesogen wie das Leben an sich.


Filmbild aus Searching Eva ©Pia Hellenthal
Filmbild aus Searching Eva ©Pia Hellenthal

Der Film folgt, dem Charakter von Modell Eva folgend, ebenfalls keinen konservativen Normen in seiner Umsetzung und bricht damit mit vielen gewohnten Sehweisen und Einstellungen; im doppelten Sinne. Damit wird das Werk in hohem Maße authentisch, intensiv und zeitgemäß – und konnte nun für die experimentelle Montage von Yana Höhnerbach den „Bild-Kunst Schnitt Preis Dokumentarfilm“ in Höhe von 7.000 Euro für sich gewinnen.



© Tina Waldeck 2020