[Stories from the sea]

Jola Wieczorek | Österreich 2021


Auf einer Fotoleinwand ist das Meer abgebildet. Eine Dame lässt sich davor fotografieren, bevor sie durch lange Flure den Gang weiter spaziert. Auf dem Deck schließt sie die Augen und genießt den frischen Wind des wirklichen Meeres. Einst entdeckte sie zusammen mit ihrem Mann das Mittelmeer, solange, bis dieser sich durch seine Alzheimer-Erkrankung auf den Schiffen verirrte. 

Zwischen Leben und Tod

Schnitt. In einer kleinen Kajüte wird das Licht von einer jungen Frau angemacht. Als sie acht Jahre alt war, starb ihr Onkel, ein Schiffszimmermann, und sie bekam von da an keine Postkarten mehr aus allen Teilen dieser Welt. Da beschloss sie, in seine Fußstapfen zu treten und wurde, als einzige Frau, Auszubildende auf einem Frachtschiff. Auf einem Segelboot werden unterdessen die Segel gehisst. Diversität, unterschiedliche Kulturen und Sprachen. „Ein Zuhause bleibt ein Zuhause, auch wenn man fortgeht“, überlegt ein junger Mann aus Ruanda. Viele haben hier ambivalente Emotionen dem Meer gegenüber: Sie sind Geflüchtete.


Filmbild aus Stories from the Sea ©Jola Wieczorek | Österreich 2021
Filmbild aus Stories from the Sea ©Jola Wieczorek | Österreich 2021
Filmbild aus Stories from the Sea ©Jola Wieczorek | Österreich 2021
Filmbild aus Stories from the Sea ©Jola Wieczorek | Österreich 2021

Ruhig und bedacht dokumentiert die Kamera drei ganz unterschiedlichen Lebenssituationen. Regelmäßig wechselt das Bild zwischen dem Ambiente des Meeres, den Räumlichkeiten der Segelboote/Frachtschiffe/Kreuzfahrtschiffe und den Lebensrealitäten in und auf ihnen. Bei allen: Eine gewisse Sehnsucht, ein bisschen Wehmut und Nachdenklichkeit zwischen den anderen Menschen, die einem das Gefühl geben, auf diesem begrenzten Raum nicht alleine zu sein. 

Fazit

Eine mutige Entscheidung des Teams war es, auf die Farben, – insbesondere auf das Blau des Meeres – zu verzichten: Aber in schwarz-weiß bekommen die einzelnen Momente noch mehr essenzielle Tragkraft. Dabei wirkt die Ästhetik der 16 mm Linsen rauschend für die Augen, die sonst eine Über-Schärfe gewohnt sind. Jola Wieczorek und ihr Kameramann Serafin Spitzer wollten damit etwas Gefühlvolles, Menschliches übertragen und ganz die Neutralität der einzelnen Perspektive bewahren: Ohne eine Wertung verschmilzt das Meer im gestalterischen Aufbau der einzelnen Einstellungen zu den inneren Zuständen der Menschen.



«Stories from the sea» feierte seine Uraufführung auf der Viennale 2021 und lief auf dem Filmfestival Max Ophüls Preis 2022 im Wettbewerb Dokumentarfilm, wo er den Bereich »Beste Musik in einem Dokumentarfilm 2022« für sich gewinnen konnte. Das Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro – ausgeschrieben von der Saarland Medien GmbH und gestiftet von der Strecker Stiftung – geht zu gleichen Teilen an die beteiligten Komponist:innnen sowie an die Filmemacherin – für die Musik- und Tongestaltung in ihrem nächsten Filmprojekt.


© Tina Waldeck 2022