(Freitag, 25. April 2025)

[Zu den Kongress-Panels „Schöne Spiele”, „Dreams, Nightmares & Revolutions” sowie „Die Öffentlichkeit der Angst”] | Lichter Filmfest International


Kinostühle, die auf den Brettern der Demokratie stehen, eröffnen den Filmfestivals die Möglichkeit ein Fundament zu bieten: Eine Basis für den konstruktiven Austausch, für Vernetzungen und freie Gedankengänge. Doch auch hier werden eingeschränkte, kuratierte Richtungen bemerkbar.

 

Welche Filme führen zu einer neuen gesellschaftlichen Revolution?

 

Laura Laabs und Maxi Haslberger visualisieren auf dem Podium ihre Botschaft erstaunlich poetisch – und vielleicht genau deswegen radikaler als viele andere. Die Unordnung, die die Medien verbreiten, führt auf vielen Wegen in die strukturierten Widerstände hinein. Sie sehen das Problem der Streaming-Dienste, in dem gemütlichen Einschlafen mit Netflix, als ein gefährliches Weichspülen und abhängig machendes Kalkül unserer Gesellschaft. Darunter krankt nicht nur die ruhig gestellte Arbeitsklasse: Denn das eigentliche Verhalten, – das aneinander abreiben und abgleichen –, findet im Leben außerhalb der eigenen Komfortzone statt: Mit jenen Menschen, die anders sind, andere Gedanken und Wichtigkeiten haben. Wo auch Dinge angesprochen werden, die unliebsam sind und in der Reaktion des Gegenübers Zustimmung oder Ablehnung erfahren. Wo Diskussionen sich auch schon mal unwillkürlich entladen, um sich zu lösen. Das Ruhigstellen löst keine Probleme. Welche Dienstleistungen haben das größte Einschlaf-Potenzial? Und welche der dort kuratierten Gedanken dürfen im medialen Raum in den Köpfen Resonanz finden? Welche Angebote bekommen öffentliche Mittel – und mit welchen Hintergedanken? Die trojanischen Pferde unserer Zeit: Gewünschte Ordnungen werden hübsch in den Mainstream hinein verpackt. Ein Ausweg davon muss erst einmal gedacht werden, sonst kommt auch keine Lösung zustande.

 

Doch wie den Unsicherheiten widerstehen? 

 

Warum sollte überhaupt noch individuell versucht werden, sich außerhalb bestehender Systeme eine kritische und ambitionierte Position aufzubauen, wenn diese ja doch langfristig keine Vorteile mit sich bringt? Der Wunsch, sich unabhängig zu bewegen, wird verbunden mit einer existenziellen Furcht: Jeder Schritt in eine sowieso schon unsichere Zukunft legt nur weiter neue Steine auf den eigenen Weg. Der zugeschaltete Dominik Graf sieht hier die Qualitäten der (Film)Systeme auch nicht, denn meist schwelen hier ja doch politische Gründe und Absichten, die erst einmal durchschaut werden müssen – und an die sich (oft unbewusst) gebunden wird. Die Lösung: „Weg von diesen Bindungen“, – hin zur freien Filmliebe? Nur von Ruhm und Ehre kleinerer Produktionen zu leben, die kein großes Publikum erreichen, aber viele Preise gewinnen, ist bei der steigenden Inflation auch eine Ehre, die von vornherein nur Wohlgebetteten vorbehalten ist.



Warum also überhaupt etwas in Bewegung setzen? Selbst in den Gesprächen dort war zu spüren, wie manche Farbtöne der Vielfältigkeit in zwischenmenschlichen Aktionen bewusst überhört und übersehen wurden, damit alles in dem vorbestimmten (und medial aufgezeichneten!) Rahmen wohlgefällig in das (eigene) System angepasst werden konnte. Minutenlang schien die Frage einer jungen Person vonseiten der Bühne ignoriert zu werden und erst nachdem der Moderator direkt aus dem Publikum (von der Festivalleitung!) darauf hingewiesen wurde, drangenommen, und schließlich mit einem hierarchischen „Jetzt rede ich“ wieder unterdrückt zu werden. (Die Person verließ daraufhin frustriert den Kongress.) Dieser Moment ist im Video ab 1:16:42 – teilweise – zu hören und es wirft auch wieder kein erfreuliches Licht auf den gewünschten »offenen Diskurs«, um ein »wir müssen keine Angst haben« tatsächlich überzeugend vermitteln zu können. Im Gegenteil: Im Rahmen der Filmindustrie hat weiterhin nicht jede Stimme die gleiche Gewichtung, selbst wenn sie vielleicht gesellschaftliche Bedeutung hätte. So bleiben es Gespräche, die in einem wohl situierten »öffentlichen« (Zeit)Raum viel Platz für Selbstdarstellungen vor einem reinen Fachpublikum bieten. (Wobei ich an dieser Stelle ein großes menschliches Dankeschön an Elisabeth Bronfen und das weit wertvollere Gespräch abseits der Bühne aussprechen möchte!)

 

Kleines Fazit (oder: Welche Personen müssen die Angst ernst nehmen?)

 

Insgesamt werden die schön inszenierten Worte »Kino ist für das Gespräch da« ad absurdum geführt, wenn zwischen den Konstrukten auf der Bühne kaum ein Gespräch mit dem Publikum stattfindet und schon gar nicht mit einer sogenannten »Öffentlichkeit«. Es ist nicht verwunderlich, wenn die weit offeneren Gespräche der Jugend sich immer weiter auslagern in andere (mediale) Räume, jenseits der Einschlaf-Thematik: Es gibt genug Plattformen, wo die vielfältigen Kommunikationen sich nach den Bedürfnissen der Menschen ausdehnen und atmen dürfen. Die nicht kuratierten Flächen mögen zwar gefährlich(er) erscheinen, aber sie bieten Freiheit für ein natürliches Wachstum – weitaus mehr als die theoretischen und privilegierten Schutzräume, welche auch nur ein weiteres Weichspülen innerhalb einer positionierten intellektuellen Gemütsverfassung verbergen. 


© Tina Waldeck 2025