[Children of the Mist]

Ha Le Diem | Vietnam 2021


Rückblick auf die jugendliche Unschuld: Ein Mädchen stapft den Berg hinauf. Sie vermisst die früheren Zeiten, in denen sie hier mit ihren Freunden gespielt hat. Erinnert sich die Filmemacherin daran? Als sich die beiden das erste Mal begegneten, war Diem schockiert, wie sehr das Kind schon die Gefahr verstand, in welche die jungen Mädchen der Hmong in Nordvietnam leben. Sie dokumentierte das Leben von Di drei Jahre lang.


Filmbild aus Children of the Mist © Ha Le Diem | Vietnam 2021
Filmbild aus Children of the Mist © Ha Le Diem | Vietnam 2021

Blick in die Vergangenheit: Di ist 14 1/2 Jahre alt und hilft mit anderen Kindern auf dem Feld. In der Schule müssen sie Bescheid sagen, wenn sie die Eltern bei der Ernte unterstützen. Hier können sie die traditionellen Rollen spielerisch einüben, wie die Entführung einer Braut an Neujahr: Ein junger unverheirateter Mann nimmt seine Wunschfrau ihrer Familie weg, um sie zu heiraten. Das kann einvernehmlich oder nicht erfolgen.

Alte Traditionen, die sich tief in das Denken und Fühlen einprägen

Bei den Festen sind alle ausgelassen, Alkohol spielt in den Familien eine große Rolle und auch die Jugend hat Spaß. Mit einem Selfiestick macht ein Junge Fotos mit Di. Die beiden stehen abseits des Platzes und halten Händchen. Als Di die Filmemacherin mit der Kamera sieht, will sie seine Hand verlegen loslassen, doch der Junge lacht. Er ist anständig und würde sie nicht entführen, verspricht er. Hinterher schimpft die Mutter: Sie soll dann nicht weinen, wenn doch etwas passiert. Nur Dumme würden sie entführen, versucht das Mädchen zu scherzen. Sie will lieber studieren und Geld verdienen. Ihre Mutter hat nie das Dorf hier verlassen, – ihre Tochter möchte ihr andere Dörfer zeigen.

Doch die Pubertät schreitet voran, alle flirten und schließlich geht Di freiwillig zu einem Jungen, der ebenfalls ein Hmong ist. Da nutzt dieser die Chance und lässt sie nicht mehr nach Hause. Er hat im letzten Jahr die Schule abgebrochen und seine Familie ist arm: Das Mädchen wäre ein guter Fang für die Familie, so drängen auch seine Eltern auf eine Verbindung, – egal ob das Mädchen möchte oder nicht. Die Situation spitzt sich zu, bis selbst die Filmemacherin um Hilfe geben wird. 

Fazit

Der Film gibt vertraute Einblicke in das Leben von Familien, die immer noch in alten Bräuchen verharren, auch wenn die Eltern schon sichtbar an diesen gescheitert sind. Außerhalb der Hmong geben die Bildungsstätten ihr Möglichstes, um aufzuklären, aber scheitern genauso wie die jüngeren Generationen, die in diese Strukturen automatisch hinein rutschen – trotz des Bestrebens, es eigentlich besser machen zu wollen. So wünscht sich Di an einer Stelle, „sie könnte wieder ein Kind sein“: Denn das Erwachsenenleben wartet um die Ecke, mit den traditionellen Verpflichtungen, die neben dem westlichen Lifestyle von Smartphone, Facebook und Freiheit wie böse Geister einer Parallelwelt existieren. 



«Children of the Mist» lief auf dem DOK.fest München 2022 in der Deutschlandpremiere sowie als Weltpremiere im Internationalen Wettbewerb auf dem International Documentary Film Festival Amsterdam 2021, wo sich Ha Le Diem über den Preis für die Beste Regie freuen konnte.


© Tina Waldeck 2022