[The Nothing Factory]

Pedro Pinho | Portugal, 2017


Der Logik der Ware entfliehen

In der portugiesischen Aufzugsfabrik werden nachts heimlich Maschinen abtransportiert, ohne die Arbeiter zu informieren. Diese protestieren – wie sollen sie ohne ihre Arbeitsgeräte arbeiten? Nun, überhaupt nicht. Man klärt sie sachlich auf: Die Bauindustrie ist in der Krise. Schnell kommen die Gespräche auf Entlassungen und es beginnen auf beiden Seiten Taktiken der Zermürbung. Das Gehalt bleibt für die Arbeiter aus, doch sie kommen weiterhin jeden Tag in die Firma, um die Situation auszusitzen. Schließlich besetzen sie das komplette Gebäude und werfen in ironischer Umkehrung der Situation einfach die Verwaltung selbst hinaus. Diese drohen zwar die Polizei zu rufen, aber das ist egal. Die Chef-Etage mit den dicken Autos kann im Namen der Arbeiter-Gemeinschaft auch ruhig den Papst persönlich anrufen …  


Filmbild aus The Nothing Factory ©Pedro Pinho
Filmbild aus The Nothing Factory ©Pedro Pinho
Filmbild aus The Nothing Factory ©Pedro Pinho
Filmbild aus The Nothing Factory ©Pedro Pinho

Der Film The Nothing Factory von Regisseur Pedro Pinho bezieht sich auf die reale Geschichte der Firma FATELEVA, wo Arbeiter diese in Selbstverwaltung übernahmen und von 1975 bis 2016 betrieben. Ihnen ist dieser Film nicht nur gewidmet: Einige von den ehemaligen Arbeitern spielen als Laiendarsteller auch selbst mit. Das dreistündige Werk ist experimentell aufgebaut, wenn auch sehr subtil. Mal wirkt es wie eine Dokumentation, mit Interviews und sanfter Beobachtung der Szenarien, dann wie ein Spielfilm, mit abenteuerlicher Handlung – vor allem wenn Kind Mogli und dessen Opa sich durch den harten Dschungel des Lebens kämpfen –, dann wieder gibt es Diskussionsrunden, die an Talkshows erinnern, ein Liebesdrama mit Soft-Porn-Elementen, ein Film im Film – wo ein Filmschaffender im Film selbst recherchiert, analysiert, beobachtet und die Arbeiter in der Fabrik inszeniert – oder auch absurde Musical-Einlagen. Dabei baut Pedro Pinho diese Fragmente durchaus klug zusammen: So werden erst die Charaktere eingeführt, damit man sich in diese einfühlen und die existenzielle Ernsthaftigkeit der Situation vor Augen führen kann, bevor er es wagt, die Realität immer wieder mit ironischen Analogien zu untergraben. Wenn zum Beispiel Vater und Sohn sich plötzlich angstvoll gegen eine Handvoll Strauße wehren müssen, die eben nicht den Kopf in den Sand stecken.  


Filmbild aus The Nothing Factory ©Pedro Pinho
Filmbild aus The Nothing Factory ©Pedro Pinho

Dass das Erstlingswerk mit solchen Feinheiten sehr erfolgreich aufgenommen wurde, sieht man daran, das die Premiere 2017 in Cannes stattfand und dies nicht ohne Grund: Mit seinen Inhalten trifft der Film den Nerv der Zeit. Trotzdem fühlt sich der Zuschauer am Ende dann selbst ein kleines bisschen zermürbt. Vielleicht hätten ein paar experimentelle Genre weniger und eine Prise mehr Fokus ganz gutgetan, damit die inhaltlichen Feinheiten im System des Films nicht einfach untergehen, wie der Mensch in der Rolle des Arbeiters. Vielleicht waren aber auch gerade solche aufkommenden Gedanken vom Regisseur beabsichtigt? Dieser inszeniert hier nun mal seine eigene Logik mit den Bauteilen, die das Lebens eben vorgibt – und dabei gelingt ihm eine ganz eigenständige filmische Handschrift für seine Ware Film.


© Tina Waldeck 2020