[Intensive Life Unit]
Adéla Komrzý | Tschechische Republik 2021
Gedämpfte Geräusche. Eine Frau mit blauen Handschuhen und blauen Haaren schaut auf den Monitor, auf dem ein Piepsen immer lauter wird. 11:26 Uhr, – kein Ausschlag der Lebenslinie mehr. Die Lichter werden ausgeschaltet. Türen geschlossen. Es ist ein Ende, immer wieder.
Sterben ist ein Teil des Lebens
Menschen können mit moderner Medizin und Technologie das Leben immer weiter verlängern. Doch wie werden ethische Fragen reflektiert? Die Meinungen der Studierenden, die in dem Dokumentarfilm auf die Palliativ-Station in Prag kommen, sind gespalten und durchaus kritisch: Hängt das Leben der Patienten nicht vielleicht nur von der Einschätzung der Ärztinnen und Ärzte ab, auf die sie treffen? Ist es eine aktive oder passive Sterbehilfe? Doch alle Patienten, die hierherkommen, werden sterben, erklärt ihr Lehrer. In dieser Gewissheit liegt bei dem Team nur die Verantwortung, das so menschenwürdig wie möglich zu gestalten.
Auch zuhören kann Arbeit sein
Ganz vielfältig verhalten sich die Patienten dazu: Manche sind noch lebenslustig und scherzen, bei manchen kommt nur ein aufgebendes Schulterzucken, – wenn schon mit der Welt abgeschlossen wurde. Von Chemotherapie aufgequollene Gesichter sind zu sehen: Schläuche, die über den Betten hängen. Die Kamera zeigt symbolisch die beleuchteten Fenster der Stadt in der Ferne von dem andächtigen Warteraum aus, in dem die Abnabelung von dem eigenen Dasein stattfinden muss.
Die Menschen sind nicht mehr Teil von dem Normalzustand der Gesellschaft. Doch die Ärztinnen und Ärzte können die Zeit der Patienten nach ihren Wünschen so arrangieren, dass sie vielleicht entspannter gehen können. Eine Dame möchte nicht mehr nach Hause. Dort kann sie sich weder an den kleinen Dingen erfreuen, noch an dem Leben von ihrem Mann und den Kindern teilhaben. Hier hat sie einen Platz, wo sie den Verlust nicht stetig vor Augen, Ruhe und Beistand hat. Andere wollen, kurz bevor es so weit ist, lieber wieder nach Hause, um in vertrauter Umgebung sterben zu können. Für alle bekommt der Tod durch die sorgfältige Betreuung ein menschliches Gesicht.
Fazit
Ein gutes (er)leben des Todes: In der ersten Palliativ-Klinik der Tschechischen Republik am Prager Universitätskrankenhaus arbeiten Ondřej Kopecký und Kateřina Rusinová. Bei beiden steht direkt nach der intensiven Fürsorge, Empathie und Respekt im Fokus und das wollen sie auch an den Nachwuchs weitergeben. Der Film dokumentiert die Arbeit der beiden leise und mit unaufgeregten Gesten, ohne dass sie dabei zu sehr im Fokus stehen, – sondern das aufmerksame Beobachten des alltäglichen sozialen Umgangs auf der Station mit den Patienten.
«Intensive Life Unit» lief auf dem dok.film München 2022 in der Deutschlandpremiere.
© Tina Waldeck 2022