[Looking for Horses]

Stefan Pavlović | Niederlande, Bosnien und Herzegowina, Frankreich 2021


Auf den Spuren seiner Großmutter wandelnd, erfährt Stefan Pavlović von einem Mann, der seit 18 Jahren allein auf einer kleinen Insel wohnt. Im bosnischen Krieg (1991-1995) war Zdravko ein Mörder – wie sollte er sich danach noch „normal“ innerhalb der Gesellschaft integrieren? Nahaufnahmen auf das charaktervoll zerfurchte Gesicht des alten Mannes, der sich die Hand hinter sein Ohr legt: Einen großen Teil des Gehörs hat er durch die Einschläge von Granaten damals verloren.

Küchentischgespräche im Schlauchboot

Hören, Sprechen und einander Verstehen sind die stetigen Leitfäden, die Stefan Pavlović in dem Dokumentarfilm miteinander verflechtet, denn er selbst stottert: Oft verheddern sich seine Worte und er weiß nicht, wie er sie fangen kann. Jeder Fisch im Ozean hat seinen eigenen Klang, erklärt ihm Zdravko beim Angeln. Er versucht Stefan Wörter aus seiner Sprache beizubringen: holprige Zungenbrecher und die beiden lachen. Ein Verständnis auf einer Gefühlsebene wie bei Stefans Oma, das keiner Worte bedarf.


Filmbild aus Looking for Horses ©Stefan Pavlović | Niederlande, Bosnien und Herzegowina, Frankreich 2021
Filmbild aus Looking for Horses ©Stefan Pavlović | Niederlande, Bosnien und Herzegowina, Frankreich 2021
Filmbild aus Looking for Horses ©Stefan Pavlović | Niederlande, Bosnien und Herzegowina, Frankreich 2021
Filmbild aus Looking for Horses ©Stefan Pavlović | Niederlande, Bosnien und Herzegowina, Frankreich 2021

Fazit

Sprachbarrieren mit emotionalen Gesten überwinden: In einer poetischen Filmsprache erforscht der Filmemacher unterschiedliche Stimmungen und verschiebt sie auf der visuellen Ebene. In vielen experimentellen Fragmenten wie seinem subtilen Einsatz von Schrift, – welche sich als Stefans Gedanken auch schon mal zu subtilen Untertiteln manifestiert, um dort überhört/überlesen zu werden, – bringt sich das Innenleben des Filmemachers immer wieder ein und verwebt seine mit Zdravkos Gegenwart zu einem miteinander funktionierenden Geflecht des Augenblicks. Nur lose verbunden, aber in diesem Verband heilsam verarztet.



»Looking for Horses« gewann 2021 bei Visions du Réel – Internationales Film Festival Nyon den »Burning Lights Wettbewerb«. Ebenfalls 2021 lief der Film auf dem DOKfilm Leipzig sowie dem Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest, bei welchem er den Preis »Goldener Schlüssel Langfilm«, dotiert mit 2.500 Euro, überreicht bekam.


© Tina Waldeck 2021