[Much ado about dying]

Simon Chambers | Irland, UK 2022


Das szenische Drama liegt schon den ersten Augenblicken zugrunde: In einer dunklen Straße heulen Hunde und die Kamera zoomt in eines der Häuser hinein, wo der Sound fließend in ein menschliches Stöhnen übergeht. Ein alter Mann schaut in die Kamera: Auch König Lear ist in seiner letzten Szene verrückt geworden. Doch das Sterben beginnt erst. 


Filmbild aus Much Ado About Dying ©Simon Chambers | Irland, UK 2022
Filmbild aus Much Ado About Dying ©Simon Chambers | Irland, UK 2022

Enthusiasmus für das Leben

Der Filmemacher drehte in Indien eine Dokumentation über den dortigen Verkehr, – und von außen sah es bestimmt so aus, als würde er einen Traum leben, doch er fühlte sich festgefahren. Da bekam Simon Chambers völlig unerwartet den Anruf von seinem Onkel David, der erklärte, dass er bald sterben würde.

David ist 91 Jahre alt und outete sich erst spät, mit 62 Jahren als schwul. Der Filmemacher outete sich bereits mit 23 Jahren, aber allein sind beide, das verbindet sie. Seine Schwestern waren dem alten Mann zu „bossy“ für eine Betreuung und er wollte „nicht von Frauen“ dominiert werden: So beschloss der Filmemacher, den anderen Film erst einmal zu parken – und mit der Kamera zu ihm nach London zu fahren.

Seit Jahren war David hier nicht mehr vor der Tür und ernährt sich nur von Dosensuppe, die ihm die Nachbarn bringen. In der Wohnung: Heizlüfter, verbrannte Steckdosen und Mäuse. Er hatte mal gehört, dass Mäuse keine Pfefferminze mögen und so vorsichtshalber Zahnpasta auf alle Steckdosen geschmiert. Die Mäuse hat das nicht gestört, aber die Elektronik ging ein. David findet, er und der Filmemacher sind ein gutes Team: Der Narr, der die Fehler filmt, die der König macht.

FAZIT

Alle Schwierigkeiten hält der Narr dokumentarisch mit respektvoller Nähe, einer Prise Humor und Liebe, – aber auch mit kritischen Untertönen – fest. Der König will nicht in ein Heim, sondern seine Freiheit, was sich nicht immer mit Würde verbinden lässt: Alle gezeigten Stadien werden zu einem liebevollen Gesamtbild eines gebildeten, sensiblen und zerbrechlichen Menschen –, trotz dessen eigenbrötlerischer Extravaganz. In vielen Passagen bringt der Filmemacher seine Gedanken aus dem OFF mit ein. Vier Jahren werden vergehen, – in denen beide ihrem Platz im Leben suchen.




«Much ado about dying» feierte Premiere im Wettbewerb auf dem Internationalen Dokumentar Film Festival Amsterdam (IDFA) 2022 und konnte hier den Preis für den besten Dokumentarfilm in Spielfilmlänge sowie den Preis für die beste Regie gewinnen.


© Tina Waldeck 2022