[The Painted Bird]

Václav Marhoul | Tschechische Republik, Slowakei, Ukraine 2019


Triggerwarnung: Folter und Gewalt

Ein Junge rennt schwer atmend durch den Wald. Eine Gruppe von Kindern verfolgt ihn und entreißt ihm das kleine Tier, das er schützend in seinen Händen hielt, nur um es bei lebendigem Leib anzuzünden und zu verbrennen. Brutal und erbarmungslos beginnt der Film schon in den ersten Minuten und genau so wird er in den nächsten Stunden auch weitergehen.

Spielball einer kranken Gesellschaft

Der kleine Jude kehrt auf den Hof einer Pflegemutter zurück. Das Ganze ist doch seine Schuld, meint sie emotionslos, warum ist er auch hinausgegangen? An einem Fluss lässt er ein kleines, selbst gebautes Schiff fahren, mit einem Papier als Segel, auf das er seine geflohenen Eltern gemalt hat. Werden sie ihn je holen kommen? Im Flusslauf trägt das so stetig wie die Zeit fließende Wasser die Hoffnung davon, während auf dem Hof ein weiterer Tod eine noch zögerlich aufkommende Normalität schnell wieder vertreibt. Nun ganz alleine auf sich gestellt, — heimatlos, noch deutlicher kann es nicht gesagt werden, — muss er von nun an für seine Aufenthaltserlaubnis im Leben bei immer wechselnden Menschen arbeiten. Immer wieder gerät er in Gefangenschaft und immer kann er dieser entkommen – aus Zufall, Schicksal oder eigenem Antrieb. Oft kommen Analogien zu Tieren ins Spiel, denn auch das Leben jenseits der Menschen ist grausam.


Filmbild aus The Painted Bird ©Václav Marhoul | Tschechische Republik, Slowakei, Ukraine 2021
Filmbild aus The Painted Bird ©Václav Marhoul | Tschechische Republik, Slowakei, Ukraine 2021
Filmbild aus The Painted Bird ©Václav Marhoul | Tschechische Republik, Slowakei, Ukraine 2021
Filmbild aus The Painted Bird ©Václav Marhoul | Tschechische Republik, Slowakei, Ukraine 2021

Selbst den Nationalsozialisten läuft der Junge auf seinem Weg in die Arme: Und auch hier wird er schnell als Jude definiert. Ein Soldat kommt auf ihn zu. Wo sind seine Eltern? Der Junge schweigt: Was soll er auch sagen, wenn er es nicht weiß? Stiefel marschieren über die Gleise. Doch der Freiwillige, der ihn erschießen soll, löst seine Fesseln, während an ihnen ein Zug vorbeirast, in dem Menschen verzweifelt an die mit Holz verrammelten Türen hämmern. Es gelingt ihnen, das Holz loszutreten und hinauszuspringen, nur um sich beim Aufprall auf dem harten Boden der Realität das Genick zu brechen. Ein kleiner Ausschnitt an Unbarmherzigkeit, die sich mit schier endlosen Steigerung fortführen ließe.

Fazit

Von Dorf zu Dorf, von Horror zu Horror kämpft sich das “Dog´s blood”. Doch mit seinem Schicksal ist er nicht allein, denn auch bei anderen, zum Beispiel Frauen gegenüber, sind Schläge, Verachtung und Herabwürdigungen an der Tagesordnung. Oft brutal, makaber und morbide. Václav Marhoul erschafft in dieser Adaption von Jerzy Kosińskis Roman aus dem Jahr 1965 ein filmisches Epos der menschlichen Niedertracht, welches seine volle Wirkung erst mit und durch den Jungen, eindrucksvoll gespielt von Debütant Petr Kotlán, entfalten kann. Umgeben von einer kalten Gesellschaft, die nicht das Leid des Kindes, sondern nur wertlosen jüdischen Abschaum sieht, entsteht das Mitgefühl bei den Zuschauer:innen, die einen objektiveren Blick auf das bösartige Spiel vermögen und am Ende aus dem namenlosen Jungen in dessen grauer Welt einen höchst emphatischen Charakter gewinnen können. Trotz oder gerade aufgrund der Brutalität: Denn da, wo negative Emotionen, wie Angst, Wut, Furcht und Ekel toben, da wiegen die Funken der wenigen positiven Gefühle von Hoffnung und Zuversicht noch viel bedeutungsvoller und intensiver.



»The Painted Bird« lief im Wettbewerb des jüdischen Filmfestivals Berlin & Brandenburg 2021 und konnte hier die Jury überzeugen, ihn mit dem Gershon-Klein-Spielfilmpreis in Höhe von 3.000 Euro auszuzeichnen. 


© Tina Waldeck 2021