[Filmstunde_23]

Jörg Adolph & Edgar Reitz | Deutschland 2024


Rückblick auf 1968: Der junge Edgar Reitz unterrichtete in der 8. Klasse des Luisengymnasiums in München. Die reine Mädchenklasse hatte im Unterricht ihre Deutschlehrerin nach der Verfilmung eines literarischen Werkes gefragt: So wurde auf Initiative des Lehrkörpers der junge Filmemacher – der zuvor schon fünf Jahre am Institut für Filmgestaltung in Ulm unterrichtet hatte – als Experte eingeladen.

Denn „ein Film ist auch eine Art zu schreiben“

Soll eine Person nur selbst filmen, wenn sie auch etwas von Regie versteht? Was bringt es, ein gutes Buch für einen Film zu schreiben: und daraus einen schlechten Film zu machen? Gibt es das überhaupt: Einen schlechten Film? Edgar Reitz lässt die 12- bis 14-jährigen Mädchen demokratisch abstimmen. Er lässt sie aufschreiben, welche Filme sie gesehen haben, und es entsteht ein „trauriger Querschnitt“. Die FSK mag zu der Zeit nicht ganz unschuldig daran gewesen sein: „M“ von Fritz Lang ist schließlich erst ab 18 Jahren freigegeben. Sie schauen sich den Film im Unterricht trotzdem an.


Filmbild aus Filmstunde_23 ©Jörg Adolph & Edgar Reitz | Deutschland 2024
Filmbild aus Filmstunde_23 ©Jörg Adolph & Edgar Reitz | Deutschland 2024

FAZIT

Im Jahr 2023 treffen sich die Frauen noch einmal mit ihrem ehemaligen Lehrer und blicken auf die vergangenen Filme, die sie damals auf Super 8 Kameras gedreht hatten, zurück. Anders zu sehen heißt anders zu verstehen, erklärt Edgar Reitz: Die Gesellschaft konsumiert so viele Filme und liest so wenig Bücher – trotzdem wird das Verstehen der Literatur in der Schule unterrichtet und das Fach Film existiert noch immer nicht übergreifend. Gerne hätte der Filmemacher in den vergangenen 50 Jahren die Schulen dazu gebracht, Film als festen Unterrichtsbestandteil einzuführen. Das alle Filmschaffende – während sie zum Beispiel auf Förderanträge warten – verpflichtend an Schulen unterrichten sollten. Das alle auch das „Kino-machen“ lernen sollten. Damit es mehr reflektierte und gesellschaftlich relevante Gespräche mit und über Filme gibt, die auch soziale Auswirkungen haben.

Doch noch immer herrscht Analphabetentum. Das bemängelt der mittlerweile 91-jährige Edgar Reitz bei der Weltpremiere von «Filmstunde_23» auf der Berlinale – im Filmgespräch mit seinem Produzenten Ingo Fliess (if…Productions) und Co-Regisseur Jörg Adolph. In den Diskussionen bietet der Film hier eine gute Basis für neue Denkanstöße, um weiter daran (mit) zu arbeiten, wie Filmwissen geteilt werden kann, – geteilt werden sollte und geteilt werden muss – damit es auch für zukünftige Generationen in der Filmkunst weiter gehen kann.


Der Dokumentarfilm «Filmstunde_23» hatte seine Weltpremiere bei den 74. Internationalen Filmfestspielen Berlin 2024. Edgar Reitz bekam in diesem Rahmen die Berlinale Kamera für sein Lebenswerk verliehen.


© Tina Waldeck 2024