––––––– Resilienzfilm –––––––



[Friendly Fire]

Klaus Fried & Julia Albrecht | Deutschland, Österreich 2025


Als der österreichische Dichter Erich Fried 1988 stirbt, sind die Zwillinge Tom und Klaus gerade 19 Jahre alt. Klaus wird zu einem Filmemacher und erforscht – in seinem ersten Langfilm – nicht nur die Familienstrukturen und das bewegte Leben des Vaters, sondern reflektiert auch im Schutz seiner linken Ansichten äußerst kritisch die politische Lage in Israel.

Eine fixierte Sehnsucht

Immer wieder läuft die Stimme des Vaters mit den Gedichten aus dem OFF: Es startet mit „Zorn bleibt und Widerstand“ ... Vor sich hin fluchend stapft Klaus Fried mit einem Stock über den Friedhof, über die Stabilität der Steine diskutierend. Aus dem OFF erinnert sich auch seine Mutter, wie der Vater trotz Krebserkrankung arbeiten wollte: 1988 jährte sich die Kristallnacht zum 50. Mal und er sollte, aus London kommend, in Deutschland ein Interview geben. Doch er wird ins Krankenhaus eingeliefert. Sie erzählt, wie sie wartete und dann der Arzt kam: „Frau Fried, ihr Mann ist leider gestorben.“ Auf Deutsch, – doch so viel verstand sie gerade noch. Das Wort „leider“ prägte sich ein. Immer wieder hatte er sie verlassen. Leider. Alte Aufnahmen, wie Erich Fried fluchend über den Friedhof geht, an einem Stock.


Filmbild aus Friendly Fire © Klaus Fried & Julia Albrecht | Deutschland, Österreich 2025
Filmbild aus Friendly Fire © Klaus Fried & Julia Albrecht | Deutschland, Österreich 2025

Tom Fried, der Zwillingsbruder von Klaus, war noch nie in Deutschland. Die Halbschwester Katherine massiert ihn und erzählt, wie ihr Vater mal zu ihr sagte, aus ihr wäre ein guter SS-Offizier geworden: Sie weiß, wie sie anderen Schmerzen bereiten kann. Archivmaterial überlagert die Szenerie: „In der Ostmark wird rechts gefahren.“ Die Bilder laufen rückwärts. Die Tonebene steigert sich und geht in das Rattern eines Zuges über: Stunden um Stunden, Stunden um Stunden. Deutsche, Stunden um Stunden.

„Es kam die Zeit der Menschen, es kam die Zeit der Steine“

Klaus besucht seinen älteren Halbbruder Hans: Dessen Mutter war Marie, die Erich 1944 nur aufgrund der ungeplanten Schwangerschaft geheiratet hatte. Sie war sehr überfordert mit der Situation generell gewesen. 1952 heiratete Erich dann Nan Spence-Eichner und sie holten Hans zu sich, bevor sie Sohn David und Tochter Katherine bekamen. Nan, die aus einer strengen linken Familie kam, war jedoch äußerst frustriert mit der Rolle der Mutter, während Erich Karriere machte und Geliebte hatte. So verließ sie ihn und zog mit ihren Kindern nach Dänemark, während ihr Ex-Mann 1965 Catherine Boswell kennenlernte und mit ihr Tochter Petra sowie die Zwillinge Tom und Klaus bekam. Nein, ein normales Leben hatten sie sicher nicht.

Auch, weil Menschen aus der linken Szene bei ihnen in London regelmäßig ein und aus gingen. Auch Uschi Obermaier und Rainer Langhans. Alle waren ähnlich gestrickt: Sie hatten viel Sex, viel Freiraum, viele Drogen und viele Diskussionen über Freiheit. Petra erinnert sich noch gut an die Rote Armee Fraktion und wie fasziniert sie als Kind von der „Baader-Meinhof-Gang“ war, als diese erzählten, dass sie mit Arafat in Palästina trainiert hatten. Archivmaterial von der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau: 1945. Archivaufnahmen von dem zionistischen Attentat auf die britische Verwaltung in Jerusalem: 1946. Von der Flucht der palästinensischen Bevölkerung: 1948. Aus dem OFF erklärt Erich Fried, das er aufgestanden ist: für die Palästinenser. Er war ein entschiedener Antizionist.


Filmbild aus Friendly Fire © Klaus Fried & Julia Albrecht | Deutschland, Österreich 2025
Filmbild aus Friendly Fire © Klaus Fried & Julia Albrecht | Deutschland, Österreich 2025

„Wir sind nicht hoffnungslose Idioten der Geschichte, die unfähig sind, ihr eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen“, erklärt Rudi Dutschke, ein Freund von Erich Fried, 1967 im Fernsehen. Sie waren alle radikal links, erklärt Moshé Machover. Die beiden trafen sich kurz nach dem dritten arabisch-israelischen Krieg, ebenfalls 1967. Mit seiner israelisch sozialistischen Organisation „Matzpen“ forderte Moshé Machover Israel auf, die besetzten Gebiete sofort zu räumen. 1972 gab es großen Applaus bei dem Einmarsch des israelischen Teams bei der Eröffnung der Olympischen Spiele, bevor die arabische Terrorgruppe „Schwarzer September“ die israelischen Teilnehmenden als Geiseln nahmen und ermordeten. Die Erklärung der RAF dazu, die Ulrike Mainhof kommunizierte: „Die Aktion war antifaschistisch. (…) Israel hat seine Sportler verheizt wie die Nazis die Juden.“

FAZIT

Es wird immer Menschen geben, die nicht mit den politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten einverstanden sind. Was also tun und welche Dinge in Gang setzen? Unfassbar elegant und stimmig montiert der Film mit vielen radikalen Gänsehaut-Momenten nicht nur ein würdiges Vater-Sohn-Poem mit Verbindungs- und Trennungslinien. Es ist zudem ein Zeitdokument, wo sich abstrakte historische Elemente über die Aktionen der Menschen zu einem menschlicheren Ganzen zusammenfügen. Die Geschichten sind durchaus bekannt, das Archivmaterial trotzdem klug gewählt, um es spannend zu montieren und mit den persönlichen Erinnerungen zu erweitern und zu ergänzen. In nur bedingt chronologischer Reihenfolge von Julia Albrecht geschnitten wirkt der Film dabei nie unübersichtlich, nie konfus und garantiert nie langweilig. Klaus ist ein charismatischer Mensch zum Folgen, zum Lachen, zum verzweifelten Seufzen und Hinterfragen. Er kann mit diesem aufbereiteten Vermächtnis seines Vaters durchaus dazu motivieren, die Einstellung zu überdenken, was als menschlich wahrgenommen, als menschlich gewollt und als Menschlichkeit (vielleicht nicht) zu erreichen ist.


«Friendly Fire» lief in der Weltpremiere als Eröffnungsfilm auf dem DOK.fest München 2025 und war dort in der Rubrik „Nie wieder ist jetzt? – Filme über Erinnerung und Widerstand“ für den VIKTORIA MAIN COMPETITION DOK.international sowie den DOK.edit Award nominiert.


© Tina Waldeck 2025