––––––– Resilienzfilm –––––––



[The Brutalist]

Brady Corbet | Großbritannien, USA, Ungarn 2024


Hinsetzen, kommt die scharfe Forderung, – woher? Aus Budapest. Die junge Frau, Zsófia (Raffey Cassidy) bebt aufgebracht, dabei wollen die Männer ihr doch nur helfen, nach Hause zu kommen. Also, ihrem wahren Zuhause …

Die Realität getroffen, unangenehm berührt

Aus dem OFF spricht Erzsébet Tóth (Felicity Jones) ihren Mann László (Adrien Brody) in einem Brief Mut zu und zitiert Goethe: „Niemand ist hoffnungsloser versklavt als jene, die fälschlicherweise glauben, frei zu sein.“ Die Kamera wechselt hektisch zu ihrem Mann: Die Freiheitsstatue liegt in inszenierter Schieflage. Befreites Lachen, und doch … die Kamera fährt an Menschen, mit Nummern dekoriert vorbei. Ein Versuch, die Menschenmassen, die Flüchtlinge zu organisieren. In der amerikanischen Atmosphäre nicht gewollt zu sein: Lászlós Cousin hat mittlerweile den Namen Miller angenommen und ist zum Katholizismus konvertiert. Inwieweit geht eine erfolgreiche Integration, ohne die eigene Identität vollständig verleugnen zu müssen?


Filmbild aus The Brutalist © Brady Corbet | Großbritannien, USA, Ungarn 2024
Filmbild aus The Brutalist © Brady Corbet | Großbritannien, USA, Ungarn 2024

In der Armenküche trifft László auf Gordon (Isaac de Bankolé) und auf die Drogen – sie werden ihn genauso den ganzen Film über begleiten, wie die reichen Amerikaner Harrison Lee van Buren (Guy Pearce) und dessen Sohn Harry Lee (Joe Alwyn), die ihn intellektuell amüsant finden, seine Talente gerne für egoistische Zwecke (aus)nutzen und den ganzen Film in ihren eigenen, weißen Machtstrukturen gefangen bleiben. Dank ihnen bekommt László seine Lizenz als Architekt und kann sich ein Leben in den USA aufbauen, bevor im zweiten Teil des Films seine mit Schmerzen an den Rollstuhl gefesselte Frau und die schweigsame Nichte nachkommen. Eine bemerkenswerte Szene ist dabei jener Moment, als ein Güterzug mit Baumaterial verhüllt in Rauch aufgeht: in der absurden Ironie, wie sehr sich van Buren über die zwei verletzten Personen und das verlorene Material echauffiert, im Angesicht der verdrängten Wahrheit, wie viele Millionen an andere Stelle mit/in Zügen gestorben sind. 

FAZIT

Es ist nicht Nacht und Nebel (1956), es ist nicht The Zone of Interest (2023). Adrien Brody spielt zwar erneut absolut authentisch, aber die fiktive Figur von László Tóth ist eine viel deutlichere Klischeefigur – aus verschiedenen jüdischen Personen zusammen generiert: Da, wo The Pianist (2002) auf eine menschliche Ebene nach dem Schauen noch lange menschlich nachhallte, bekommt The Brutalist eine deutlich unmenschlichere Atmosphäre. Alles in der Fremde, alles Amerikanische, alles außerhalb von Israel, scheint allein von Hass und gegenseitiger Abwertung geprägt zu sein. Besonders auffällig ist dies mit der Rolle der Zsófia, die erst in Israel ganz offensichtlich erblühen und emotional heilen kann: Nicht nur ihre Sätze am Ende („Das Ziel ist das Ziel“ – it is the destination, not the journey) bekommen dadurch einen etwas faden Beigeschmack. Da, wo auf der einen Seite selbst in dem Gebrochenen und Zerstreuten noch ein gewisser Zusammenhalt praktiziert wird, erweist sich auf der anderen Seite in der fremden Sphäre jede Hilfsstellung doch nur als Hinterhalt. Auch wenn die Fragen von Zwangsmigration, Heimatlosigkeit, Anpassung und Ausbeutung in The Brutalist durchaus gegenwartsnah sind, bleibt nach dem Film, nicht nur durch den fortlaufenden psychischen und physischen Missbrauch und dem Dahinsiechen menschlicher Würde, sondern besonders durch die mitlaufenden zionistischen Untertöne, ein etwas ungutes Gefühl über die eigentlich vermittelten Werte zurück.


«The Brutalist» feierte auf den Internationalen Filmfestspielen von Venedig 2024 Premiere. Bei den Oscars 2025 konnte der Film von seinen zehn Nominierungen drei gewinnen, darunter Adrien Brody als bester Hauptdarsteller sowie jeweils einen weiteren Oscar für die beste Kamera und die beste Filmmusik. 


© Tina Waldeck 2025