[The Eternal Memory]

Maite Alberdi | Chile 2023


Die Kamera wird zusammen mit dem Bild angeknipst. Unschärfe wie ein verschlafener Blick. Augusto, das ist er. Und wer ist sie? Sie heißt Pauli, stellt sie sich ihm vor und erzählt, dass er zwei Geschwister und zwei Kinder hat. Sie weiß ja schon alles, stöhnt er und greift sich verzweifelt ins Gesicht. Natürlich, sie sind ja verheiratet, – nur weiß er das nicht mehr: Er hat Alzheimer. Was wird aus einer Liebe, wenn der andere Mensch zerfällt?


Filmbild aus The Eternal Memory ©Maite Alberdi | Chile 2023
Filmbild aus The Eternal Memory ©Maite Alberdi | Chile 2023

Ohne Erinnerung keine Identität?

Augusto Góngora und Paulina Urrutia arbeiteten beide für die Politik und Kultur in Chile. Er war Journalist, der für Freiheit und Demokratie eintrat. Der die Seele von Chile einfangen wollte. Bis 2014 die Diagnose kam. Auf einer Theaterbühne tanzt er nun, in einem ganz anderen Rhythmus als alle anderen. Sie nimmt ihn mit zu ihrer Arbeit und betreut ihn auch hier. Jeder Tag beginnt damit, dass er wieder neu alles einstudieren muss. Ist so ein Leben noch lebenswert? Manche können kaum glauben, dass er wirklich noch Freude empfinden kann, doch an manchen Tagen mag er das Leben: Immerhin kann sein Gehirn nicht mehr beschädigt werden, er hat keins mehr. Gemeinsamer Humor scheint noch immer vorhanden zu sein und sie lachen zusammen.   

Zwischen der alltäglichen Gegenwärtigkeit zeigen alte Filmaufnahmen Fragmente aus der Vergangenheit: Wichtige Momente in Chile, von denen er berichtet hat, um das Land und dessen Bedürfnisse sichtbar zu machen. Geschichten, die er nicht mehr erzählen kann, die aber einen Eindruck seines einstigen Ichs geben. Heute gibt es dagegen auch solche Tage, an denen er nervös auf und ab läuft und nach Hilfe ruft: Wer ist der Mann da im Spiegel? Wo ist er? Etwas Seltsames passiert, erklärt er in diesen Momenten einer Person namens Pauli, die dann auch nur eine Fremde bleibt. Quälende Aufnahmen, in denen er verzweifelt weint, weil er befürchtet, dass dieses Gefühl der Einsamkeit bleiben wird.



FAZIT

«The Eternal Memory» konnte auf dem Sundance Film Festival 2023 den Hauptpreis im Bereich Dokumentation gewinnen. Sicher gäbe es bei dem Film in der Umsetzung auch einige Schwächen zu bemängeln, die im Vorgängerfilm von Maite Alberdi THE MOLE AGENT, – welcher als erster chilenischer Film für einen Oscar nominiert war – mit dem Medium Spielfilm einfach stimmiger gewesen sind. Doch auch im Bereich Dokumentarfilm zeigt sich erfreulicherweise das gute Gespür der Filmemacherin für zwischenmenschliche Töne, die sie feinfühlig in ein ästhetisches Gewand zu hüllen weiß. Und dabei genug gedanklichen Freiraum lässt damit die Zuschauenden über den Faktor Menschenwürde intensiv, – ebenfalls mit einem lachenden und einem weinenden Auge – nachdenken können.


«The Eternal Memory» lief im Panorama auf der Berlinale 2023.


© Tina Waldeck 2023