[While the Green Grass Grows]

Peter Mettler | Kanada, Schweiz 2023


Im September 2015 saß die 80-jährige Mutter des Filmemachers gut gelaunt im Familienhaus in Zürich. Ein stetiges Hoch und runter – so würde sie zu diesem Zeitpunkt ihr Leben beschreiben. Im Film rauschen Quallen im zarten rosa/blau vorbei. Ihre Stimme legt sich im OFF über die Visualisierungen: Vielleicht kann sie nicht mehr so viele Geburtstage mit der Familie verbringen – aber sie freut sich, dass sie geliebt wird. Schnitt auf Toronto, 2019, wo die Wellen sanft über die Ufer treten. Das Bild der lächelnden Mutter steht im schwarzen Rahmen und an ihrer Seite stützt sich ein Mann auf das weiße Tuch.

Das Verschwinden der spielerischen Leichtigkeit?

Gedanken von Kurt Vonnegut und Thich Nhat Hanh werden aufgegriffen: Wenn ein Mensch stirbt, dann scheint es eine Endgültigkeit zu haben – aber das Denken, dass alles für immer vorbei sein muss, scheint, auch im medialen Kontext, manchmal nicht passend: Die Mutter lächelt in die Kamera und tanzt vergnügt. Im Lockdown war Zeit, persönliche Merkmale zu vergessen, die einen ausgemacht haben, und/oder um sich neu zusammenzusetzen. Der Filmemacher legt die Super 8 Aufnahmen in den Projektor. 


Filmbild aus While the Green Grass Grows ©Peter Mettler | Kanada, Schweiz 2023
Filmbild aus While the Green Grass Grows ©Peter Mettler | Kanada, Schweiz 2023

Als die Mutter in Europa als Au-pair-Mädchen arbeitete, tauschte sie Kontaktdaten mit einem netten Menschen, wohnhaft in Kanada, aus. Ein paar Jahre später heirateten die beiden in der Schweiz. Der Vater hatte Sorgen, wie das Leben dort werden würde – und irgendwann sind Bomber über ihre Köpfe geflogen. Alle waren froh, als der Krieg endete. Der alte Mann steht am Fenster eines Apartments und schaut hinunter. „Eine schöne Aussicht von hier.“ In Schwarz-weiß fährt ein Schiff über den Rhein und als junger Mann schaut er durch ein Fernglas. Seine Frau scherzt: Nun kann er in die Zukunft sehen.

FAZIT

Immer mehr vermischen sich die Rhythmen von Mit-sterben und mit(er)leben in der kollektiven Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Der Film wird zu einer Chronologie von persönlichen Ereignissen, die im Kreislauf des Lebens – im gemeinschaftlichen Entstehungsprozess von Mensch und Natur – für ein aufmerksames Hinschauen plädieren. Dabei findet der Filmemacher die passenden Bilder für den Ausdruck von Stimmungen, die ästhetisch anspruchsvoll, menschlich herausfordernd und doch taktvoll eingefangen werden. Sicher werden für manche die philosophischen und spirituellen Ansätze eine Hürde darstellen, – aber sie sind auch gleichermaßen eine Freude, wenn sich die Zuschauenden darauf einlassen, um den Blick, die Gedanken und Gefühle schweifen lassen zu können. Im essayistischen Angedenken werden die Abschnitte zu einer Bestandsaufnahme von Augenblick und Ewigkeit.



«While the green grass grows» lief auf dem Vision du Réel 2023, wo der Film den Grand Prix in der Selektion International Feature Film Competition gewinnen konnte. In Deutschland bekam Peter Mettler auf dem DOK Leipzig 2023 die Goldene Taube Langfilm, im Internationalen Wettbewerb Dokumentarfilm, überreicht – zudem richtete das Festival eine Hommage für den Filmemacher aus.


© Tina Waldeck 2023